In diesem Jahr wurden wir zum ersten Mal gefragt, ob es einen messbaren RoI von Change Management gibt und wo dieser liegt. Diese Frage hat uns insofern etwas irritiert, da aus unserer Sicht die Antwort auf der Hand liegt.
RoI bedeutet “Return on Investment” und meint: “Wann zahlt sich die getätigte Investition wieder aus?“.
Bei genauerem Betrachten hat sich die Beantwortung der Frage allerdings als deutlich komplizierter herausgestellt, als erst erwartet.
Der Begriff Return on Investment (kurz RoI) ist eine betriebswirtschaftliche Kennzahl zur Messung der Rendite einer unternehmerischen Tätigkeit, gemessen am Erfolg im Verhältnis zum eingesetzten Kapital. Aufgrund der unterschiedlichen Berechnungsansätze von “Erfolg” gibt es auch zahlreiche Varianten für die Berechnung des RoI.
Deshalb benötigt es im ersten Schritt eine Erfolgsdefinition, damit sich im zweiten Schritt der Berechnung des RoI genähert werden kann. Die Fragestellung muss lauten: Mit erreichen welcher Ziele ist der Change erfolgreich? (Ziele können z.B. sein: Einführung eines neuen IT-Systems, Effizienz in Prozessen etc.).
Da die Frage nach dem RoI von Change Management von Kundenseite aufkam und wir sie nicht ad hoc beantworten konnten, war schnell klar: die Antwort kann nicht so offensichtlich sein wie zuerst angenommen. Also haben wir uns im gesamten Team mit dieser Aufgabe beschäftigt und dabei festgestellt, dass bereits eine Vielzahl an Versuchen zur konkreten Bestimmung dieses Werts unternommen wurden.
Einen in Englisch verfassten Artikel, der sich mit dieser Annäherung an den Wert RoI beschäftigt und uns dem Thema näher gebracht hat, finden Sie hier.
Nach gründlicher Recherche mussten wir etwas desillusioniert feststellen, dass bislang tatsächlich keine stichhaltigen Studien existieren, die den RoI genau beziffern können. Selbstverständlich ist das Investment, und auch ein Mehrwert von Change Management Beratung darstellbar, jedoch ist es bislang nicht gelungen einen konkreten Wert für den RoI für Change Management zu bestimmen.
Das fanden wir insofern schwierig zu akzeptieren, da es für uns als Change Berater selbstverständlich ist, dass sich der Einsatz von professioneller Change Management Kompetenz rechnet.
Die Ergebnisse der Recherche haben uns nicht gereicht, somit haben wir uns selbst damit beschäftigt. Die Vorteile vom Einsatz einer professionellen Change Management Beratung haben wir bereits umfassend im Artikel „So profitieren Unternehmen von professionellem Change-Management“ beleuchtet.
Als Grundlage zur Bemessung der Kosten eines Veränderungsprozesses müssen sowohl harte als auch die weichen Kostenfaktoren einkalkuliert werden. Zu den harten Faktoren zählen alle eindeutig zuordenbaren Kosten. Das wären z.B. im Falle einer IT-System Einführung die Beschaffungskosten der Hardware, im Falle von Change Management der Einkauf der externen Change Management Beratung.
Zu den weichen Kosten zählen die internen Kosten, die zu Beginn eines Projektes nicht unbedingt absehbar sind und deshalb oft nicht miteinkalkuliert werden. Zum Beispiel können das die Überstunden sein, die anfallen während der Zeit in der Mitarbeiter sich anstelle Ihrer eigentlichen Tätigkeit, in ein neues Betriebssystem einarbeiten oder sich mit Neuerungen jeglicher Art vertraut machen.
In diese Kategorie fällt auch der Faktor Zeit, der nur bedingt geplant werden kann. Denn die Kosten verhalten sich entsprechend dem Zeitaufwand für ein Projekt. Bei nicht eingeplanten Verzögerungen laufen Posten wie Gehälter und Ressourcenverbrauch weiter und damit verschiebt sich der Punkt, an dem ein RoI eintritt.
Eine weitere wichtige Rolle spielt der Faktor Nachhaltigkeit. Unternehmensveränderungen, die nicht langfristig verankert werden können, müssen als gescheitert betrachtet werden. Dies wäre z.B. der Fall, wenn ein Großteil der Mitarbeiter die Veränderung ablehnt oder nicht in der Lage oder willens ist die Neuerung zu nutzen oder umzusetzen.
In zu vielen Fällen wird das Hauptaugenmerk auf die harten Kostenfaktoren gelegt und die weichen Faktoren nicht genügend berücksichtigt. Tatsächlich sind es aber oft die weichen Faktoren, die die Kosten insgesamt in die Höhe treiben, da diese viel schwieriger kalkulierbar sind. (Beispiel Flughafen BER: Es waren nicht die teuren Materialkosten, die zum Misserfolg des Projektes geführt haben, sondern schlechtes Management).
Wir sind zu dem Schluss gekommen: Nein. Um eine generelle Aussage treffen zu können, sind die einzelnen Projekte viel zu individuell.
Einen Versuch der RoI Bestimmung hat McKinsey in einer Studie 2002 gemacht, in der die Change-Projekte von 40 Firmen analysiert wurden. Die Studie ergab einen RoI Wert von:
Hierbei handelt es sich jedoch um Durchschnittswerte, die nicht pauschal auf jedes Projekt übertragbar sind.
Doch! Zahlreiche Studien belegen, dass Veränderungsprojekte mit professionellem Change Management wesentlich erfolgreicher sind, als ohne professionelles Change Management.
Die Schwierigkeit: Es muss ein Bewusstsein über die weichen Kostenfaktoren geschaffen werden.
Durch die Begleitung einer professionellen Beratung können:
Wichtig ist die Bewusstmachung, dass diese Faktoren einen hohen Einfluss auf die Kosten bzw. den RoI des Projektes haben und nicht nur „nice to have“ sind.
Der Mehrwert professioneller Change Beratung hat also unmittelbaren Einfluss auf den Unternehmenserfolg.
© 2018 - 2023 Jennifer Reckow
Liebe Frau Reckow,
danke für die interessanten Gedanken zum Thema RoI, ein Thema, dass auch uns als PR/Kommunikateure immer wieder beschäftigt. Meiner Ansicht nach ist die größte Schwierigkeit bei solchen Berechnungen, dass das Alternativszenario “was wäre ohne (gutes) Change Management passiert” immer hypothetisch ist, genau wie bei “was wäre ohne (gutes) Stakeholder-Management passiert”. In welcher Höhe genau wurden “interne Ressourcen geschont”, “Verzögerungen vermieden”? Zu welchem Anteil sind die Erfolge dem Change Management zuschreibbar?
Der Effekt ist der gleiche wie beim aktuell zu beobachtenden Präventionsparadoxon in der Coronakrise: Je erfolgreicher die Maßnahmen, desto weniger Fälle – da aber nicht klar ist, was OHNE Maßnahmen passiert wären, halten viele die Maßnahmen für übertrieben. Das kehrt aber die Kausalität Maßnahmen > Erfolg um. Genau wie ein Kunde, der nach erfolgreichem Change Projekt sagt, das Projekt sei überflüssig gewesen, weil ja gar keine Probleme entstanden seien.
Sicher kann man das ein wenig umgehen, indem man den Erfolg von Projekten mit und ohne professionelle Beratung vergleicht wie die von Ihnen zitierte McKinsey Studie, so wie man in der Coronakrise die Entwicklung in verschiedenen Staaten vergleichen kann. Eine echte betriebswirtschaftliche Messung des RoI ist aber aus meiner Sicht nicht möglich, allenfalls eine Annäherung.
Viele Grüße
Volker Bischoff